Post von Madeira

25. Mai – 31. Mai 2022:

Vorbereitung

Ein ganzes Tagebuch habe ich bereits vollgeschrieben, aber darin kaum ein Wort über Segelabenteuer verloren. Nun sollte sich das endlich ändern.

Wir läuteten die Endphase unserer Vorbereitungen für den dritten Versuch einer Überfahrt von Tazacorte nach Madeira ein. Versuch 1 scheiterte 2019 als uns die Genuafock über Nacht ins Wasser fiel und wir umkehren mussten. Versuch 2 gelang uns durch die Coronazwangspause 2020 nicht. Aber alle guten Dinge sind ja bekanntlich drei!

Holger war zwar immer noch schwer beschäftigt mit unserer Hydrauliksteuerung. Jedoch wie jedes Mal hatte er das Problem bereits an der Wurzel gepackt und den Kern des Übels beseitigt. Nun galt es nur noch, die Funktionstüchtigkeit des Systems zu testen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir allerdings noch nicht, dass es zu einer Testausfahrt nicht mehr kommen würde.

Derweil widmete ich mich unserem Schmutzwäscheberg und steuerte voller Tatendrang auf die einzige Waschmaschine der Marina zu. Eigentlich gibt es ja zwei Maschinen vor Ort, aber die zweite ist scheinbar nur Dekoration und füllt den kleinen Raum dadurch vollständig aus. Aufgrund dieser Situation muss man immer rechtzeitig am Start sein, um erfolgreich an der Waschmaschine und dem Trockner arbeiten zu können. Mein Plan wurde nicht zum ersten Mal ausgebremst, denn die Trommel drehte sich bereits fröhlich mit fremden Wäschestücken. Also wartete ich geduldig das Ende des Vorgangs ab und hoffte darauf, den Besitzer der Bekleidung endlich kennenzulernen. Der hatte sich nämlich verkrümelt und musste erst per Telefon herangerufen werden. Irgendwie hatte ich es dann auch schon geahnt, dass ich mal wieder mit meinem unbeliebtesten Konkurrenten kollidieren würde: einem Marihuana rauchenden Spanier mit einem permanent schlecht gelaunten Hund an seiner Seite. Hat man das Pech, direkt nach ihm einen der Toilettenräume zu betreten, kommt man garantiert hustend und high dort wieder heraus, denn dieser Mensch hinterlässt immer eine ordentliche Jointstinkwolke. Und ausgerechnet heute musste er zwei Handtücher und zwei Putzlappen für 8,00 Euro Waschkosten reinigen?! Das kam mir schon sehr merkwürdig vor.

Nach der Wäsche wartete dann noch der abschließende Großeinkauf auf uns. Holger bekam neue Wanderschuhe. Bei „Palmafruit“ deckten wir uns mit ausreichend Obst&Gemüse ein. Im „Mercadona“ und bei „Lidl“ ging es hauptsächlich um Flüssigkeiten, die unseren Einkaufskorb füllten. Zum Schluss dann noch ein Abstecher zu „5 Oceanes“, dem Feinfrostfachgeschäft mit der leckeren Kaninchenleber und dem Rosenkohl. Das sollte unser Abschiedsfestessen werden.

Auch um unser Womo und die Mifas mussten wir uns kümmern. Die kleinen Räder fanden, auf Hochglanz geputzt, ausreichend Platz im Innenraum unseres Campingmobils. Nun steht das treue Gefährt einsam auf einem Parkplatz am Hafen von Tazacorte und wartet dort auf unsere Rückkehr.

Der 30. Mai ist auf den Kanaren der „Dia de Canarias“, also so eine Art Nationalfeiertag der Inseln. Wir hatten uns auf ein paar Festivitäten eingestellt. Aber ausgerechnet an diesem Tag waren für La Palma kräftige Regenschauer angesagt. So fiel das bisschen Freude der leidgeprüften Insulaner dann auch noch buchstäblich ins Wasser. Wir machten uns bei Dauernieselregen und dichtem Nebel auf den Weg an die Quelle der Caldera zum Wasserholen. Nicht nur unsere Wasserkanister füllten sich dabei mit dem kühlen Nass, auch Holger wurde vom Turnschuh bis zum Basecap ordentlich durchgeweicht. Selbst die Hauptstadt Santa Cruz auf der anderen Seite der Insel hatte an diesem Tag, wider jeder Erwartung, nicht mehr als ein paar Sonnenstrahlen zu bieten. Ansonsten versteckten sich alle Einwohner La Palmas scheinbar in ihren Häusern.

Vielleicht hätten wir das alles auch als ein Zeichen werten sollen hinsichtlich der Dinge, die sich im Verlauf der kommenden Tage ereigneten. Vielleicht hätten wir die Frage unseres Stegnachbarn Ralf mit „Ja.“ beantworten sollen. Er fragte uns nämlich: „Oder würdet ihr sagen, ich soll morgen besser nicht nach Madeira los segeln?“ Vielleicht hätten wir auch die Wetterkarten kritischer betrachten sollen.

Auf jeden Fall machten auch wir uns, genauso wie Ralf und seine Frau, am letzten Maitag bereit zum Aufbruch in Richtung Norden nach Madeira.

Eine letzte Warnung erhielten wir dann noch durchs Telefon, denn ich meldete unsere Ankunft im Hafen von Funchal für den 2. Juni an. Die besorgte Frage des freundlichen Mannes am anderen Ende der Leitung: „Haben Sie auch auf das Wetter geschaut?“ tat ich großkotzig ab mit: „Am Donnerstag wird es besser!“ Das hätte ich vielleicht nicht tun sollen.

Unser Plan, die guten Windbedingungen eines abziehenden Tiefdruckgebietes für die Überfahrt zu nutzen, erwies sich letztendlich nicht gänzlich als die geniale Idee.

 

31. Mai – 2. Juni 2022:

Durchführung
 

Knapp 250 Seemeilen lagen vor uns, als wir am 31. Mai die Marina von Puerto Tazacorte um 12.15 Uhr verließen. Im Hafen selbst war es windstill und sonnig. Die Vorhersagen stimmten uns bis auf die Regenprognose positiv. Ein Tiefdruckgebiet verzog sich in Richtung Nordosten und verschaffte uns dadurch den nötigen Wind aus Südwest bis West. Soweit so gut!

Hinter der Hafenmauer dann ebenfalls Windstille, aber eine fürchterliche Kabbelwelle. Na gut, die ist in Inselnähe nun auch nichts Ungewöhnliches. Also ließen wir unseren Motor drei Stunden lang laufen, bis wir die Inselabdeckung hinter uns hatten.

Mit 12 bis 17 Knoten Wind aus Südwest und einer angenehmen Welle setzten wir bei Sonnenschein und Schönwetterwolken unsere Reise in den Sonnenuntergang fort. Die Regenfront beobachteten wir aus der Ferne. Sie verschonte uns. Wir konnten alle drei Segel setzen und die Fahrt genießen. So könnte es sich unseretwegen bis nach Madeira fortsetzen! Schön wär´s gewesen!

Über Nacht änderten sich allerdings die Bedingungen und nicht zum Besseren. Mit halber Genua und ¾ Besan segelten wir Böen bis Windstärke 6 und schaukelig hohe Wellen schlaflos aus. Wir lagen bis Mitternacht an Deck und schauten in den herrlichen Sternenhimmel. Die schlanke Mondsichel war rasch wieder am Horizont verschwunden. Kein weiteres Schiff begleitete uns. Ganz allein segelten wir zu dieser Zeit und auf dieser Route über dieses Stück des Nordatlantiks. Schon ein merkwürdiges Gefühl! Abwechselnd setzten wir nun unsere Rundumblicke und Geräteüberprüfungen unter Deck fort. Die Hauptarbeit leistete von nun an Horst, unser unermüdlicher Autopilot und dritter Mann an Bord. Wir versuchten immer wieder, etwas Schlaf zu bekommen. Dabei verkeilte ich mich meistens im Deckssalon hinter unserem Tisch. Holger probierte die Achterkajüte mit ebenfalls eher mäßigem Erfolg. Die ungeordneten Wellenberge hielten uns bis zum Morgen in Schach.

Der 1. Juni war ein sonniger Tag auf See. Mit Halbraumwind um die 20 Knoten aus West und Geschwindigkeiten um die 5 bis 6 Knoten hätte es ein perfekter Segeltag werden können. Aber die Kabbelwellen ließen unsere bereits geplagten Gehirne nicht in Balance kommen. Ich konnte nicht essen, nicht trinken, nicht aufrecht sitzen, nicht die Augen offen halten. Ich glaube, man nennt diesen Zustand Seekrankheit?! Auch Holger setzten die Bedingungen zu, wenn er sie auch tapfer weglächelte. Danke dafür! Mir war nur noch zum Heulen zumute und das tat ich dann auch kurzzeitig. Eine Schmerztablette und Magentropfen verschafften mir etwas Linderung. So mies ging es mir bei einer Überfahrt noch nie. Natürlich haben wir uns auch sprichwörtlich voll ins kalte Wasser gestürzt. Nach zwei Jahren als Landratten wählten wir gleich das Komplettprogramm: drei Tage und zwei Nächte auf dem Ozean. Keine kurze Tagestour als Eingewöhnungskuscheltörn vorweg!

Für ein wenig Abwechslung sorgte an diesem Tag eine Delfinschule, die fröhlich um unsere Aplysia in die Wellen eintauchte. Nicht nur für eben solche Momente lohnt sich die ganze Anstrengung! Außerdem landete ein verletzter Seevogel auf unserem Schiff. Wir nahmen den kleinen Tramper bis nach Madeira mit, auch wenn er währenddessen unser Deck in sein ganz persönliches Vogelklo verwandelt hatte. Wahrscheinlich war auch ihm nur noch speiübel von dem furchtbaren Geschaukel.

Ansonsten blieben wir weiterhin mutterseelenallein auf unserer Route.

Wieder folgte die kurze Nacht auf den langen Tag. Und wieder setzten sich die unschönen Bedingungen fort. Der Wind legte noch zu und erreichte in Böen 35 Knoten. Die Wellen hielten dagegen, bremsten aus und machten die Reise unangenehm. Auch in dieser Nacht blieb es bei Schlafversuchen, die meistens missglückten. Einer der ganz bösen Wellenberge hob Holger aus dem Bett der Achterkajüte und schleuderte ihn auf den Boden. Sein Kopf landete krachend auf der Treppe des Niederganges. ,Das war,s!´, dachte ich. Aber zum Glück ist er mit dem Schrecken davon gekommen.

Der dritte Tag auf See begann wie der vorherige endete. Ich bekämpfte meinen üblen Zustand mit einer weiteren Schmerztablette und versuchte mir krümelweise Zwieback und schlückchenweise Wasser zuzuführen. Für eine Diät absolut genial, für die momentane Situation allerdings nicht so gut. Glücklicherweise fühlte ich mich peu a peu etwas besser.

Der Wind nahm ab, die Welle blieb. Damit wir überhaupt noch etwas Fahrt machen konnten, setzten wir zusätzlich zur ¾ Genuafog und dem ¾ Besansegel unsere starke Lore, also den Motor, ein.

Gegen 13.00 Uhr, ungefähr 15 Seemeilen vor unserem Ziel, konnten wir die Insel Madeira im Dunst erahnen. Von nun an wollten wir nur noch eins: ankommen. Wie ich bereits bei unserer Abreise von der Insel La Palma erwähnte, so wiederholte sich auch vor Madeira das Phänomen der Inselkabbelwellen. Nun kamen die Wassermassen aus allen Richtungen auf uns zu. Unsere tapfere Aplysia wehrte das nasse Element heldenhaft ab. Horst, unser Autopilot, zuckte so gut wie gar nicht und steuerte zielstrebig auf die Hafeneinfahrt von Funchal zu. Lore, unser Motor, leistete kräftig dabei Unterstützung. Und Holger, mein Skipper, hatte wieder einmal mit seiner Ruhe und seinem grenzenlosen Optimismus alles bestens im Griff.

Unsere abenteuerliche Reise endete am 2. Juni gegen 16.30 Uhr, als uns ein netter Marinero an einem der Stege in der Marina Funchal die Leinen abnahm.

Im Nachhinein fielen mir unter Seglern oft gebrauchte Sprüche ein, wie: Nicht der Wind ist das Problem, sondern die Welle! Nicht das Boot ist das Problem, sondern die Mannschaft! Wie wahr!

Dank unserer vorherigen telefonischen Reservierung sind wir herzlich in der Marina aufgenommen worden. Es bewahrheitete sich für uns nicht, dass man hier angeblich keine Gäste möchte.

In fließendem Englisch wurde ich sofort nach unserer Ankunft zur Hafenpolizei geleitet, um uns anzumelden. Im Büro der Marina gab es dann noch die Schlüsselkarte für die Tür zum Steg und weitere unzählige englische Worte für mein immer noch absolut funktionsloses Gehirn. Das war zu viel für diesen Tag! Wir beendeten ihn rasch, nachdem wir Aplysia und uns vom Reisesalz befreit und uns etwas feste Nahrung zugeführt hatten. Das Anlegebier schmeckte noch nicht!

Zwölf Stunden Schlaf machten aus zwei Zombies wieder zwei einigermaßen stabile Menschlein und unser Abenteuer Madeira konnte beginnen.
 

Madeira für Einsteiger

Um die Insel besser einordnen zu können, hier etwas Basiswissen:

Madeira ist eine portugiesische Insel im Nordatlantik. Sie liegt ca. 400 km nördlich der Kanaren. Auf deutsch bedeutet Madeira „Holz“. Und das ist nicht nur bei den Portugiesen so. Auch für Spanier steht Madera für Holz. Mit der Besiedlung durch die Portugiesen ab 1420 ist es dem hiesigen Lorbeerbaumholz allerdings ordentlich an den Kragen gegangen, da man es rigoros, wie auf so vielen anderen Inseln mit wertvollen Gehölzen, für den Schiffbau abholzte. Sklaven von der Guineaküste, den Kanaren und später auch aus Nordamerika wurden für diese und so manch andere Drecksarbeit herangeschippert.

Anfang des 19. Jahrhunderts, zeigten neu ankommende englische Besetzer den portugiesischen Sklavenbesitzern, wie rasch sich ein Blatt wenden kann. Da mittlerweile der Weinanbau die Zuckerrohrplantagen auf der Insel abgelöst hatte, erlaubten es sich die neuen englischen Herren, den Portugiesen den Export ihres Rebsaftes zu verbieten. Sie wollten diese guten Geschäfte lieber selber tätigen. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es sich aber durch Mehltau-und Reblausplagen mit dieser Einnahmequelle erledigt. Zahlreiche Insulaner packten daraufhin ihre Koffer und verließen Madeira.

Man hat den Engländern ihr schlechtes Verhalten in der Vergangenheit wohl verziehen, denn ab 1947 waren sie als erste Flugtouristen wieder gerne auf der Insel gesehen. Damals reisten sie allerdings noch mit dem Wasserflugzeug hier an.

Erst 1964 wurde der Flughafen der Insel eröffnet. Seine zu kurze Start-und Landebahn führte im Anschluss zu einigen sehr schweren Unglücken. Später hat man die Bahn dann mehrmals erweitert, sodass heute 1000 m davon auf 180 gewaltigen Betonbrückenpfeilern lasten. Unter der Anlage befindet sich ein großer Bootsparkplatz, auf dem man überdacht die Unterwasserschiffe von Segelyachten, sogar mit stehendem Mast, wieder schick machen kann.

Madeira zählt zu den sogenannten „makaronesischen Inseln“. Das hat nichts mit dem extrem hohen Nudelanagebot im hiesigen Supermarkt zu tun, sondern wird vielmehr mit „eine der glückseligen Inseln“ übersetzt. Und dieser Ort ist wohl in mehrerer Hinsicht als glückselig anzusehen. Das milde Klima, 19°C im Januar und 26°C im August, und der enorme Wasserreichtum durch die sich regelmäßig stauenden und abregnenden Passatwolken machen diesen Ort zu einem idealen Anbaugebiet für die vielfältigsten Obst- und Gemüsesorten und beliebt bei Urlaubern. 1976 kamen ca.180 000 überwiegend Briten hierher. 2017 waren es bereits 1.3 Millionen Touristen, darunter zunehmend auch Deutsche. Madeira wird jedoch nicht als Badeparadies angesteuert, sondern begeistert vor allem Wanderfreunde aus aller Welt. Die Wanderwege sind übrigens uralt. Vor mehr als 300 Jahren wurden sie von maurischen Sklaven angelegt. Viele der Routen führen entlang der Levadas. Das sind Bewässerungskanäle, deren Bau man sogar schon im 15. Jahrhundert begonnen hat. Sicher gab es damals auch hierbei viele Arbeiter, die am Monatsende keinen Lohn zu erwarten hatten.

Im Februar 2010 hatte Madeira weniger Glück, denn ein gewaltiges Unwetter mit Regen, Sturm und Erdrutschen kostete 40 Menschen das Leben und zerstörte jede Menge Infrastruktur.

Im August 2016 geriet ein 23-jähriger Feuerteufel unter Verdacht, einen Waldbrand ausgelöst zu haben, der nahe Funchal ca.150 Häuser vernichtete. Mehr als 1000 Menschen mussten evakuiert werden und es gab 3 Tote.

Welche Berühmtheit, außer uns (Zwinkersmiley), hat es in der Vergangenheit noch nach Madeira geführt?

1492 lebte Christoph Columbus als Zuckerhändler hier. Er heiratete eine Inseladlige und zeugte mit ihr einen Sohn. Erst danach segelte er los, um die Indianer zu entdecken.

Sissi, der hübsche Kaiserschmarn aus Österreich, verbrachte den Winter 1860/1861 auf der Insel, um ein Lungenleiden auszukurieren. Heute stehen an dem Ort ihrer einstigen Herberge das Casino und ein Denkmal der Schönen.

Und natürlich ist der Inselheld allgegenwärtig. Dieser Gott des Fußballs wurde 1985 in der Hauptstadt Funchal geboren. Das überdimensional große Denkmal von Cristiano Ronaldo ziert den Eingang zum 2013 persönlich von ihm eröffneten Cristiano Ronaldo-Museum. Man kommt als Madeira-Besucher unweigerlich an diesem Ort vorbei, denn er befindet sich an der Uferpromenade und Flaniermeile der Hauptstadt. Die Bedeutsamkeit dieses Menschen reicht sogar soweit, dass der Inselflughafen seit dem 29. März 2017 seinen Namen trägt. Kein Wunder, dass er vor Selbstverliebtheit nur so strotzt, wenn er über die Fußballplätze dieser Welt gockelt (Entschuldigung!).
 

Noch drei Fakten zum Schluss:

Madeira ist eine kleine Inselgruppe mit insgesamt 801 Quadratkilometern und ca. 254 000 Einwohnern. Soweit ich weiß, sind heute keine Sklaven mehr darunter. Der höchste Berg ist mit beachtlichen 1862m der Pico Ruivo.

Zum Vergleich:

La Palma: 708 Quadratkilometer – 83 500 Einwohner – Roque de los Muchachos: 2426m

Deutschland: 357 588 Quadratkilometer – 83.130.000 Einwohner - Zugspitze: 2962m

 

3. Juni – 14. Juni 2022

Madeira, wie bist du grün ( und laut )!

Es geht doch nichts über die Kanne frisch gefilterten Kaffee am Morgen! Nach drei Tagen Entzug genoss ich diesen ganz besonders am 1. Morgen nach unserer Ankunft auf Madeira.

Unser erster Erkundungsgang durch Funchal führte uns vollkommen ohne Absicht zum Cristiano Ronaldo Denkmal. Breitbeinig und mit Schmalzlocke stand er glänzend vor uns. Noch zu Lebzeiten wurde ihm hier ein Museum eingerichtet, auf dessen Dach sich ein Hotelswimmingpool und in dessem Keller sich eine Tiefgarage befindet.

Eine lebhafte Stadt mit vielen alten und neuen Gebäuden, wundervoll angelegten Parks mit üppiger Pflanzenwelt und Springbrunnen, endlosen kleinen und größeren Geschäften, Restaurants und Bars in jeder noch so engen Gasse und natürlich zahlloser Reisender aus aller Welt nahm uns in sich auf. Wir lauschten portugiesischem und englischem Sprachgewirr und vernahmen auch vereinzelte deutsche Stimmen. Uns begeisterten sofort die vielen Obststände mit Früchten der Insel zu einladenden Preisen. Bis heute sind wir nahezu tägliche Stammgäste eines Obsthändlers vorm Supermarkt um die Ecke.

Ein Spruch unter Seglern lautet: Du bist an den schönsten Orten dieser Welt und musst an deinem Schiff herumschrauben. Und so erging es auch Holger, der einem Problem mit der Stromversorgung auf den Grund gehen musste. Außerdem litt Aplysia immer noch unter Luft in ihren Hydraulikschläuchen. Auch dort sorgte mein Skipper für Abhilfe. Ein kleineres Wasserproblem entpuppte sich als Loch im Schlauch der Stopfbuchse. Und mein tapferer Mann reparierte es und verlor die Geduld nicht. Mein Rat: Kauft euch nie ein Schiff, wenn ihr über diese Charakterqualität nicht verfügt!

An den Abenden wurden wir mit Kultur, praktisch vor der Haustür, belohnt. Es stellte sich heraus, dass hier im Monat Juni das Atlantikfest mit Konzerten und wunderschönen Feuerwerken gefeiert wird. So konnten wir bereits am 2. Abend nach unserer Ankunft zu verschiedenen Bands auf der Uferpromenade ein paar Tanzrunden drehen.

Nur einen Abend später bewunderten wir vom Schiff aus das erste von vier, jeweils an den Wochenenden stattfindenden, Feuerwerken über dem Atlantik. Es dauerte 20 Minuten und war fantastisch! Die Stimmung unter den Leuten erinnerte uns an das heimatliche Malchower Volksfest oder den Martinimarkt in Parchim.

Täglich entdecken wir ein neues Stückchen Funchal. Die Stadt liegt in einer Bucht. Hinter ihrem flachen Uferbereich mit Promenade, angrenzender Straße und zwei, drei Gebäudereihen geht es steil bergan. Somit sind unsere mehrstündigen Erkundungsgänge äußerst sportlich und schweißtreibend. Dafür entdecken wir so manche versteckte Gasse. Viele von ihnen befinden sich entlang der immer noch genutzten Wasserkanäle, in denen es ordentlich gluckert und rauscht. Bellende Hunde melden den Anwohnern, dass wir vorbeikommen. Jede Menge Katzen beobachten uns misstrauisch. Manchmal sind diese Gassen durch die Hangwohngebiete so schmal oder mit endlosen Treppengängen angelegt, dass wir uns ernsthaft fragen, wie man hier im höheren Alter zurechtkommt. Kein Auto, noch nicht mal einer der hier zahlreich fahrenden Motorroller, kann auf diesen Wegen fahren. Für uns aber sind die Spaziergänge pures Vergnügen. Verlaufen können wir uns ja nicht. Gehen wir bergab, so kommen wir immer zurück zu unserer Aplysia.

Die einzige Herausforderung dabei: Funchal ist durch tiefe Taleinschnitte, in denen auch immer ein Fluss in Richtung Meer rinnt, gegliedert. Da muss man manchmal bis zur nächsten Brücke einen ganz schönen Umweg laufen. Apropos Laufen: Ähnlich wie der Palmero läuft der „Madeiro“ nicht unbedingt nur so zum Spaß herum. Bürgersteige sind hier demzufolge eher ein Flickenteppich.

Um mehr von Madeira sehen zu können, mieteten wir uns für zwei Tage ein Motorrad. Das hatte mehrere Vorteile. Mit 40,00 Euro pro Tag ist es billiger als ein Mietauto, das man momentan nicht unter 55,00 Euro bekommt. Außerdem hat man keinerlei Sorge damit, einen Parkplatz zu finden. Mit dem Auto muss man hier überall Parkgebühren bezahlen. Zweiräder stellt man einfach auf entsprechenden Flächen ab. Nach zwei Tagen Entdeckungstour auf unserer gelben Yamaha tankten wir das teure Superbenzin (2,03 Euro pro Liter) in ihren Tank und bezahlten insgesamt nur himmlische 15,00 Euro. Und dafür hatten wir ungefähr die Hälfte der Insel bereist. Nachteile einer Inselentdeckung per Motorrad sind die ständig wechselnden Temperaturen. Je höher man kommt, um so kühler und manchmal auch feuchter kann es werden. Der Helm zerdrückt nicht nur die hübsche Frisur sondern nach mehrstündigem Tragen auch das Hirn. Der Popo bekommt empfindliche Gebrauchsrötungen. Der permanente Spreizsitz des Sozius kann zu spontanen Hüftkrämpfen führen. Noch dazu ist Madeira löchrig wie ein Emmentaler Käse nur in Grün. Endlose Tunnel, mal nur wenige hundert Meter, manchmal auch mehrere Kilometer lang, kühlen den blechhüllenlosen Motorradler immer wieder herunter. Trotzdem ist eine solche Fahrt ein sehr unmittelbares Erlebnis, denn man hört und riecht die Insel ganz anders. Wir werden es wieder tun!

 

Unsere bisherigen Highlights:

1. Serra de Agua: Dies ist ein tiefe, weit in die Insel einschneidende Schlucht, deren herrliche Aussichten auf bepflanzte Terrassen an Asien erinnern. Noch dazu treffen wir auf ein junges Pärchen, das einem indischen Bollywoodfilm entsprungen zu sein scheint. Er trägt Turban und sie neben mächtig viel Schminke auch einen bunten Sari. Wir erfreuen sie mit einem Foto von beiden.

2. Porto Moniz: Hier kann man in zahlreichen Badebecken zwischen den Vulkanfelsen schwimmen. Auch wir hatten Bikini und Badehöschen dabei. Allerdings verlangte es uns nach der Tunnel- und Gebirgsfahrt eher nach einem leckeren heißen Kaffee. Noch dazu zeigte sich hier der Himmel komplett grau und tief bewölkt. Das motivierte uns nicht für Wassersport.

3. Die Hochstraße im Gebirge, ca. 1500m ü.NN: Wir sind über den Wolken und plötzlich ist es wieder herrlich sonnig und warm. Eine üppige Pflanzenwelt erwartet uns. Herausstechend ist der überall gelb blühende Ginster. Auf endlosen Hochweiden laufen Kühe frei herum und stehen auch schon mal plötzlich mitten auf der Straße. Neugierig, aber bewegungslos beäugen sie die Touristen, die zwischen ihnen ihre Fahrzeuge parken. Auch wir gehören dazu.

4. Camara De Lobos: Dieser kleine Ort gefällt uns aufgrund der vielen Kunstobjekte, die ins Auge stechen. Die Devise dabei: Aus was Altem mach was Schönes! Und so wurden alte Kochtöpfe zu Lampenschirmen, große Plastiktonnen zu bunt bemalten Blumenkübeln oder man hat hässliche Gebäudewände einfach mit Bildern aus dem Blech von Getränkedosen verschönert. Klasse Ideen!

5. Machico: Auf der dortigen Festungsmauer entdecken wir eine kleine Ausstellung von ehemaligen Folterwerkzeugen. Wir sind uns einig, dass es ein grausameres Lebewesen als den Menschen nie auf Erden gegeben hat und wohl auch nicht geben wird.

Es läuft uns kalt den Rücken herunter, als wir die grausige Geschichte eines Eisenkäfigs lesen. Er wurde u.a. für Diebe genutzt. Man schloss die armen Menschen darin ein, zog die Käfige mitten in der Stadt hoch, sodass sie jeder sehen konnte. Der Eingesperrte verhungerte, verdurstete, starb und verweste vor den Augen von Kindern. Was von ihm übrig blieb, wurde nicht selten an Tiere verfüttert.

6. Quinta Do Lorde: Habt ihr schon einmal einen Geistertouristenort gesehen? Nein? Dann fahrt an die Ostspitze Madeiras. Hier gibt es zwar auch eine Marina mit einigen Schiffen und ein paar wenigen Ausflugsbooten. Drumherum befindet sich allerdings ein ganzer modern angelegter Touristenort im Leerstand. Wir erkundigen uns im kleinen Kiosk, was passiert ist. Die Antwort: Vor Corona lief es wohl schon nicht gut, aber die Epidemie hat dem Objekt den Todesstoss versetzt. Entsetzlich! Wir gönnen uns noch Schokoladenkuchen und Milchkaffee, bevor wir den Ort und seine Geister wieder verlassen.

7. Porto da Cruz: Dieser kleine Ort im Nordosten der Insel gefällt uns sehr. Umgeben von wildem Grün an schroffen Hängen ist er touristisch nicht unbedingt überlaufen, hat aber trotzdem ein paar Attraktionen zu bieten. Man kann hier an und in kleinen Badebecken den Tag verbringen. Es gibt kleine Bars und Gaststätten. Außerdem können wir uns eine Rumbrennerei anschauen. Im angrenzenden Laden wird hochprozentig ausgeschenkt. Hier verkostet man auch den inseltypischen Poncha. Lecker!

 

Es gefällt uns auf Madeira und wir werden wohl etwas länger hier bleiben, um noch mehr von der überwältigend grünen Insel zu entdecken.