Es bewegt sich was!

Vor zwei Tagen wurden wir morgens um 5.00 Uhr recht unsanft aus unseren Träumen geschüttelt. Plötzlich war er da, der vorausgesagte Sturm „Celia“ aus dem kalten Norden. Er brachte unsere Aplysia zum Schaukeln. Er ließ die Fender quietschen, die Leinen knarren, lose Wanten scheppern. Das gerade frisch gereinigte Deck wurde wieder einmal von einer Mischung aus Sand und Vulkanasche schwarz gepudert. Alle Luken fest verschlossen und mit eingeschalteter Standheizung wetterten wir Montag, den 14.März mehr oder weniger komplett an Bord ab. 

Ich verließ das Schiff vormittags nur für eine kurze Einkaufsfahrradtour zum Dorfkonsum. Hinwärts kämpfte ich mich gegen den Wind mühsam voran und wurde in Strandnähe gesandstrahlt. Auf dem Rückweg dank ordentlich Rückenwind erreichte ich mit meinem Minifahrrad wohl eine neue Rekordgeschwindigkeit. Wieder an Bord angekommen, bemerkte ich erst die feine Peeling-Sandkruste, die sich auf meiner Haut und in meinem Haar abgelegt hatte. Der Tag verging mit Lesen und Gitarrespielen. Neben Windböen von bis zu 10 Beaufort gab es auch immer wieder kurze Regenschauer, manchmal auch einen kräftigen Sonnenstrahl. Natürlich führte dieses Zusammenspiel am Ende zu einem perfekten Regenbogen. So liegt beinahe jedem Unheil auch meist etwas Gutes bei. 

Gestern pustete es noch ordentlich durch die Marina, aber bei weitem nicht mehr mit den Messwerten des Vortages. 

In Süddeutschland soll es wohl ebenfalls in den vergangenen Tagen Sandsturm und Regenschauer gegeben haben, nur kam dieser aus der komplett anderen Richtung. Kräftiger Südwind brachte rotbraunen Saharastaub nach Mitteleuropa und verwandelte schnöde Wassertropfen in sogenannten Blutregen. Auch nicht gerade schön!

Bei uns ist der Spuk heute erst einmal vorüber. Holger hat soeben zum Schrubber gegriffen und sich mal wieder ans äußerliche Aufhübschen unserer Aplysia gemacht. Ich werde mich der Innenraumpflege widmen. Genügend Sand und Staub finden immer ihren Weg in den Bauch des Schiffes.


 Was ist noch im Verlauf des vergangenen Monats passiert?

Blättere ich zurück in meinem Tagebuch, so entdecke ich, dass vor ziemlich genau vier Wochen über Deutschland ein fetter Sturm hinwegsauste. Als Jahrhundertsturm angesagt, hinterließ er auch in unserer norddeutschen Heimat seine Spuren. 

Vor dem Haus unserer Mutti fiel ein Birkenbaum einfach um, glücklicherweise ohne dabei nennenswerten Schaden anzurichten. In den Wintermonaten hatte Mutti seine Äste immer mit zahlreichen Leckerbissen für die Vogelwelt bestückt. Es gelang ihr so Jahr für Jahr, eine bunte Vogelschar vor ihrem Wohnzimmerfenster anzulocken und den trüben Tagen in der kalten Jahreszeit ein bisschen Farbe zu verleihen. Was für ein Trauerspiel für Mensch und Vögelei, wenn nun der gewohnte Baum zum Anflug fehlt!

Glücklicherweise bekamen wir von unseren deutschen Nachbarn nur positive Telefonnachrichten zum Zustand unseres Eigenheims: Ziegel und Solaranlage noch vollständig auf dem Dach, Auto noch gut eingepackt vor der Tür, Bäume noch komplett aufrecht stehend im Garten. Na prima! Andere hatten da garantiert mehr Pech!

Am Freitag, dem 25. Februar war es endlich soweit! Seit nunmehr auf den Tag genau einem Monat fieberten wir auf diesen Moment hin. Die aufgeregte Vorfreude der letzten Tage ist nahezu unbeschreiblich. Kurz vor Sonnenuntergang ereignete sich Folgendes: 

Ein kleiner gelber Transporter mit der Aufschrift „Correos“ rollte entspannt durch den Hafen und stoppte wie gewöhnlich in der Nähe des Marinabüros. Ein Mann in passender Dienstbekleidung entstieg dem Fahrzeug und packte zwei Pakete auf eine Sackkarre. Bedächtig rollte er damit in Richtung des Büros. Da er dort, freitags um 18.30 Uhr!!!, zur Übergabe seiner Ware niemanden mehr antraf, drehte er um und saß fast schon wieder in seinem kleinen gelben Transporter, um sich ebenfalls den süßen Vorahnungen des Wochenendes hinzugeben. Doch er hatte nicht mit Holger und mir gerechnet! Wir lagen schließlich schon ganztägig auf der Lauer und hatten die Hoffnung auf den Empfang unseres Kühlers an jenem Freitag so gut wie begraben. Doch da lag das flache Paket plötzlich zu unseren Füßen und war zum Greifen nahe. Wenn da nicht noch eine Auslöse von 33,00 Euro zu zahlen und drei Zauberfragen zu beantworten gewesen wären: 1. Wo ist eure NIE-Nummer? Antwort: Haben wir nicht. 2. Wo sind eure Pässe? Antwort: Auf unserem Schiff. 3. Wer kann mir hier unterschreiben? Antwort: Der, den du möchtest. Der typische spanische Ablauf eines amtlichen Vorganges. Am Ende reichte Holgers Kringel als Unterschrift und wir waren endlich im Besitz unserer „heißen“ Ware. Gerne würde ich den Kühler befragen, was er auf seiner langen Anreise hierher alles erlebt hat. Besonders viel Zeit verbrachte er beim Zoll auf Teneriffa. Wer sich ihm dort wohl so interessiert zugewendet hat, oder lag er vielleicht allein und lange vergessen in irgendeiner dunklen Ecke herum? Wir werden es nie erfahren.

Der Rest ist schnell erzählt. Am darauffolgenden Montag brachten wir das Ersatzteil in die Werkstatt. Am Dienstag war der Kühler bereits eingebaut und am Mittwoch waren wir wieder im Besitz unseres lange vermissten ( seit dem 7. Januar ) fahrbaren Untersatzes.

Das musste gefeiert werden und so verabredeten wir uns mit unseren Bootsnachbarn Maren und Klaus zum „Sundowner“ auf die Strandpromenade. Da wir mehr als genug fröhlich-machende Getränke eingepackt hatten, war die Sonne schon ziemlich lange down ( und auch wir ziemlich down;), als wir uns wieder trennten. Außerdem konnten wir noch einen spanischen Hippie, der sein farbenfrohes Wohnauto neben uns geparkt hatte, mit zwei Dosen Bier beglücken. Dafür durften wir uns etwas wünschen und er beschallte uns kräftig mit Rammstein-Klängen aus seinem mitgeführten Lautsprecher. 

Am nächsten Morgen machten wir uns tatsächlich ohne Kopfweh auf den Weg zu „DISA“, dem Gas- und Heizölanbieter der Insel, um unsere beiden neuen Alugasflaschen befüllen zu lassen. Dies sollte der letzte Vorbereitungsschritt für eine erste Ausfahrt mit unserer Aplysia werden. 

Nach erfolgreicher Befüllung der Flaschen überkam uns aber zunächst erst einmal der Wunsch nach einer Ausfahrt mit dem so lange vermissten Wohnmobil. Also beschlossen wir, den weiten Umweg über den Norden der Insel zu nehmen. Noch dazu wählten wir die dortige wenig befahrene Nebenstrecke. 

Wir lieben diese enge Straße, die früher einmal der einzige Verkehrsweg in diesem einsamen Teil der Insel war. Kurz hinter Barlovento fährt man an einer Quelle, (natürlich nicht!) vorbei. Hier befüllten auch wir alle uns zur Verfügung stehenden Gefäße mit frischem kalten Quellwasser. Weiter geht es durch drei kurze, aber dunkle Tunnel, die man mit Gegenverkehr nicht zeitgleich durchfahren kann. Die Tour führt durch urige Loorbeerwälder, später dann an majestätischen Pinien vorbei. Der Blick geht oft tief hinab in bewaldete Barrancos (= Schluchten). Die wilde, scheinbar noch unberührte Natur nahm uns in unserem LT vollständig auf. Unbeschnittene Äste entlang des Weges streiften unser Wohnmobil und machen diese Straße für noch größere Fahrzeuge nahezu unbefahrbar. So blieben wir bis zu unserer Rückkehr auf breiter angelegte Verkehrswege auch ziemlich alleine. 

Wieder einmal haben wir diese Insel mit verliebten Augen betrachtet. Noch sind die Schmetterlinge im Bauch, wenn wir die herrliche Natur mit all ihren üppigen Pflanzen bestaunen.

Gerne sind wir deshalb am 6. März zu einer Verabredung mit unserer Inselfreundin Kirsten erneut in nördliche Richtung aufgebrochen. Nach einer schönen mehrstündigen Wanderung belohnten wir uns, in der Sonne sitzend, mit Kaffee und leckerer Torte. Ein einsamer, an einen Baum festgebundener, Esel beobachtete neugierig unsere Schlemmerei. Wer den wohl dort zurückgelassen hatte?

Nach Autotour und Wanderung bewegten wir uns fünf Tage später allein durch die Kraft des Windes vorwärts. Mehr als zwei Jahre haben wir ausschließlich als Landratten gelebt und so kam uns das Segeln auf dem welligen Ozean anfänglich wie eine ganz neue Erfahrung vor. Unsere Körper erinnerten sich aber recht schnell an diese Form des Vorwärtskommens. Mit 3 bis 4 Beaufort segelten wir ein paar Stunden vor dem Hafen hin und her und bestaunten erstmalig vom Meer aus den großen Vulkankegel und seine schwarzen Ergüsse, die sich mehrfach als Delta hinab in den Atlantik schieben. 

Noch immer atmet der „Schmutzige Olaf“ mal kleinere, mal größere Wolken in den blauen Himmel über La Palma. Noch immer warten Menschen auf die Rückkehr in ihre Wohnungen, die aufgrund der Ausgasungen nicht freigegeben werden können. Für diese Palmeros bewegt sich momentan noch recht wenig. 

Wir aber sind wieder beweglicher geworden, sowohl in unserem Womo mit seinem neuem Kühler als auch mit unserer herausgeputzten und startklaren Aplysia.