Auf zwei Rädern durch Sevilla

Sevilla gilt als die Wiege des "Flamencos" und der "Tapas". Außerdem hat es eine der größten Altstädte Europas zu bieten. 

Mit seinen rund 689 000 Einwohnern zählt es wohl eher nicht zu den Megacities dieses Planeten. Für ein buntes Volksgemisch sorgen aber auch die Studenten der beiden Universitäten und die Touristen, die von eben Erwähntem natürlich magisch angezogen werden. Als Urlauber erreicht man die Stadt über den Flughafen vor Ort. Auch kleinere Kreuzfahrtschiff können auf dem Fluss "Guadalquivir" bis ins Stadtzentrum vordringen. Unsere Methode der Stadterkundung ist für hiesige Verhältnisse eher ungewöhnlich, dennoch durchaus praktikabel. Wir haben uns einen Wohnmobilstellplatz am Rande der Stadt gesucht und fahren die rund 5 km ins Altstadtzentrum mit unseren Mifas. Radwege sind vorhanden, wenn auch komplett konzeptionslos angelegt. Das kennen wir schon aus unserer Heimatstadt Parchim, Mecklenburg-Vorpommern. Somit beherrschen wir dieses Chaos recht gut. 

Der größte Feind des Radfahrers hier ist der E-Rollerfahrer. Dank eines gut funktionierenden städtischen Mietsystems für diese Flitzer erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Die Geschwindigkeit, die man mit ihnen erreicht, ist beträchtlich und der/die angstbefreite und äußerst kommunikative Spanier*in schreckt nicht davor zurück, während seiner/ihrer rasanten Rollerfahrt auch noch intensiv aufs Handy zu blicken. Trotz dieser ständig lauernden Gefahr haben wir nun schon mehrfach Sevillas Altstadt erkundet. Besonders hervorzuheben sind hier die hübschen engen Gassen, die plötzlich in kleine begrünte oder mit Brunnen gestaltete Plazas münden. Man kann sich überall in Restaurants setzen und der Verführung der kleinen "Tapas" nachgeben. Wir haben uns ein einziges Mal verführen lassen und erneut festgestellt: Zu Hause schmeckt es uns am besten!

Natürlich beeindrucken der ehemalige maurische Königspalast "Alcazar" und die unweit davon erbaute gewaltige Kathedrale, in der sich das Grabmal von Kolumbus befindet. 

Uns haben aber besonders die wundervoll angelegten Parks und die "Plaza de España" gefallen. Diese wurde anlässlich einer iberoamerikanischen Ausstellung zwischen 1924 und 1928 erbaut und bietet auf ihren 

50 000 qm viel Platz zum Verweilen und Flanieren. 515 m lang ist ein in das Bauwerk integrierter Kanal, auf dem man als ambitionierter Touri unter den interessierten Augen anderer Touris entlang paddeln kann. Wir zählten eher zu den Beobachtern und hatten viel Spaß dabei, einer vierköpfigen Familie asiatischer Herkunft beim verzweifelten Versuch, ihr Paddelboot zu zähmen, zuzusehen. Zuerst versuchten es die beiden pubertären Söhne ohne Erfolg. Dann griff der verzweifelte Papa ein und landete ebenfalls immer wieder an der Begrenzungsmauer. Wir wissen nicht, wie dieser Tag für die Vier endete, aber den Kilometer Wasserweg haben sie auf keinen Fall geschafft. 

Das entspanntere Verkehrsmittel, und ganz sicher auch eines, das keine Schwielen an den Händen oder Familienkrach erzeugt, ist die Pferdekutsche. In ganz Sevilla hört man das Getrappel der meist prächtigen Huftiere. Wohl ein Spaß für beinahe jeden Touristen?!

Unser Radweg in die Innenstadt führt auch immer an einem großen Betriebsgelände von Airbus vorbei. Wir erlesen uns, dass am örtlichen Flughafen der Kriegsflieger A400M zusammengebastelt wird. Ein Getriebewerk von Renault und die Cruzcampo- Brauerei von Heineken erweitern die Anzahl der größeren Arbeitgeber der Stadt. 

Gefühlt aber wird wohl das meiste Geld in den Bars und Gaststätten der Stadt erwirtschaftet. Die sind, wie übrigens überall bei den Spaniern, immer gut besucht. Egal, an welcher mehrspurigen Schnellstraße oder zu welcher unmöglichen Tageszeit, ein Cerveza geht scheinbar immer. Spanisches Bier trinkt sich, dank des sommerlich warmen Wetters und der fairen Preise, sehr gut. Das müssen wir zugeben. 

Gestern sind unsere Mifas bestimmt zum ersten Mal in ihrem langen Fahrradleben Fahrstuhl gefahren. Unweit unseres Stellplatzes kommt man nämlich mit solch einem Gefährt ganz ohne Anstrengung und Kosten in den höher gelegenen Stadtteil San Juan. Eigentlich wollten wir dort das ehemalige Kloster mit riesiger Jesusstatue besichtigen. Mittlerweile ist das Gebäude aber eine Schule und daher nicht mehr für neugierige Fremde geöffnet. Vom Vorplatz aus allerdings konnten wir uns am wunderbaren Ausblick auf Sevilla erfreuen. Noch dazu erfreuten sich zwei Einheimische an unserer Erscheinung auf ihrem Stadthügel. Touristen sind in diesem Teil Sevillas wohl eher unüblich. 

Gestern haben wir uns erneut auf unsere altertümlichen Drahtesel geschwungen, um auf Entdeckungstour durch Sevilla zu gehen. Im Cafè will der Kellner doch glatt mal unsere Räder streicheln, da er so etwas noch nie vorher gesehen hat. Vor allem die DDR-Bremstechnik der Mifas hat es ihm angetan. Wir versuchen es mit zeitlichen Einordnungen und Begriffen, wie Erich Honecker und The German Wall, um ihm den Ursprung der technischen Denkmäler zu erklären. 

Wir erreichen auf dieser Tour auch modernere Stadtteile und sind über so manches architektonisch mutige Bauwerk erstaunt. Das höchste Gebäude der Stadt ist ein gläserner Rundbau, der sich als Fünf-Sterne-Hotel entpuppt. Immer wieder begeistern uns interessant gestaltete Wasserspiele. 

Überhaupt tun der ehemalige und der neue Flusslauf des Guadalquivir mit seinen endlosen Uferpromenaden der hektischen Stadt sehr gut. Hier kommt man zur Ruhe. Das gestresste Auge findet Entspannung beim Blick auf das dahinfließende, wenn auch nicht besonders klare, Nass. Auch Ruderer, Padler und Standup-Paddler genießen die wärmenden Sonnenstrahlen auf dem Wasser. 

Der Fluss bedeutet für uns übrigens auch das erste Zusammentreffen mit Ebbe und Flut auf unserer jetzigen Reise. Die Strömung ist demzufolge nicht zu verachten. Da unser Stellplatz sich direkt am Flussufer befindet, können wir dem auf- und ablaufenden Wasser zweimal täglich zusehen. In der Marina nebenan liegen zahlreiche Boote mit und ohne Masten. Ein Wohnmobilstellplatz, der, ganz klar, besonders nach unserem Gusto ist. Seit über einer Woche sind wir deshalb bereits hier, setzen aber morgen unsere Reise in Richtung Huelva fort.

Von dort aus wird unsere Fähre zu den Kanaren am 26. November ablegen. Vorsichtshalber haben wir erst einmal bis Teneriffa gebucht. Eine Buchung bis La Palma haben wir uns nicht gewagt, da der lavaspuckende "Olaf "trotz zunehmender Pausen immer noch nicht so ganz Ruhe gibt. Nach wie vor raubt er den Menschen auf der Insel den Schlaf und verpestet ihre Atemluft. Noch dazu streut der Schmutzfink auch weiterhin Asche auf all das, was La Palma einst zur "Isla Bonita" (=dt.:Schöne Insel) gemacht hat.